Salomon Maimons Lebensgeschichte

Salomon Maimons Lebensgeschichte ist eine der ersten jüdischen Autobiographien in deutscher Sprache. Salomon Maimon, eigentlich Salomon ben Josua, wurde im Jahre 1753 in Nieszwicz (Litauen) geboren und starb am 22. November 1800 in Nieder-Siegersdorf (Schlesien). Damit sind die Anfangs- und Enddaten eines Lebens genannt, das - beispielhaft wie kein anderes jener Zeit - einen Weg nahm, der aus der Abgeschlossenheit des polnisch-litauischen Gettos in das Zentrum der westeuropäischen Aufklärungsphilosophie führte. Mit der Lernwut des Autodidakten nahm Maimon die Herausforderung an, die das philosophische Wissen für ihn bedeutete, durch seine überaus schnelle Auffassungsgabe gelang es ihm bald, sich alle wesentlichen Gedankengänge der Philosophie anzueignen. Dabei blieb von den Denkgebäuden, auf die er stieß, kein Gedankenstein auf dem anderen. Die Orthodoxie des jüdischen Glaubens, der Maimon zunächst anhing, fiel in sich zusammen, als ihn »der frische Wind« der Aufklärung erfaßte und mit sich fortzog. Eine umgreifende Heimatlosigkeit war die Folge, die auf der einen Seite die Gegebenheiten der psychischen und sozialen Isolation, aus der ein Mann wie Maimon zeit seines Lebens nicht freikommen konnte, einschloß, die auf der anderen Seite aber auch in jener Maß- und Ruhelosigkeit des Denkens zum Ausdruck kam, die es ihm verwehrten, in seiner Philosophie an ein begründetes Ziel zu gelangen. Maimon, der von all dem wußte, war es verwehrt, den Halt zu finden, den er benötigte. Trotzdem übte er einen großen Einfluß auf das zeitgenössische Denken aus, der sich wohl mehr dem irritierenden Beispiel seiner Existenz als seiner Philosophie verdankte, aus der gleichwohl wesentliche Impulse auf den deutschen Idealismus und - wie sich gezeigt hat - auch auf die moderne Philosophie ausgegangen sind. Salomon Maimons Lebensgeschichte, von ihm selbst erzählt erschien, »herausgegeben von Karl Philipp Moritz«, erstmals im Jahre 1792 und fand große Beachtung. Der Jüdische Verlag legt dieses Werk in einer Neuausgabe vor, ergänzt um ein umfassendes Nachwort des Historikers Zwi Batscha, das den sozialhistorischen Kontext und die biographischen Hintergründe dieser Autobiographie erläutert. Es zeigt sich, daß Salomon Maimons Lebensgeschichte - gerade in ihrer Zeitgebundenheit - eine zeitlose Parabel auf das Abenteuer der »Selbstfindung« ist, die mit den Widersprüchen der Wirklichkeit nicht fertig werden kann, so wie dem Begriff der reale Gegenstand immer wieder entgleitet, den er benennen will. In diesem Sinne auch ist Salomon Maimons Lebensgeschichte ein modernes Buch - ein Dokument der Verständigung über sich selbst und der Versuch, ein begründetes Wissen von sich zu erarbeiten, das immer wieder an einer Wirklichkeit zerbricht, die sich dem Zugriff des Denkens entzieht - eine Erfahrung, die für die Gegenwart so gültig ist wie für jede Vergangenheit, von der wir wissen.

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