Philosophie versus Theologie (Teil 2)

Kernthese meines Buches ist, dass die Entstehung des Protestantismus durch die Auslösung der Reformation auf historischen und politischen Vorraussetzungen basiert, die Jahrhunderte vor den Ereignissen des 'Thesenanschlages' zurückliegen. Diese betreffen die Machtideologie des weströmischen Reiches, dessen Tradition die Franken und später die Sachsen übernehmen, genauso wie eine Gesellschaftsstruktur, die sich über Jahrhunderte nicht wesentlich verändern hat. Die Quintessenz ist, dass der Protestantismus im Grunde auf eine Fortführung der ideologischen Fehlleistungen des Katholizismus fußt. Der geschichtliche Inhalt lautet kurz gefasst folgendermaßen, man will die Institution 'Kirche' ändern und reibt sich an der Rechenschaft der Existenz des Papstes (Primatsanspruch) und einer verquerten ausschweifenden Politik ihrer Amtsträger. Gleichzeitig entwickelt sich ein Pulverfass mit sozialem Sprengstoff. Während in Italiens Kirchenmetropolen die städtische Gesellschaft eine Fortführung der römischen Kaiserzeit im Papsttum verehrt, versucht das ländlich geprägte deutsche Kaiserreich und die es 'mitbestimmenden' Fürsten, eine Loslösung vom römischen Diktat, mit den bekannten Konsequenzen... Die geistesgeschichtliche Hauptursache dieser Entwicklung ist eine Geistesbewegung, die sich Jahrzehnte vorher etablieren kann und in den hoch entwickelten Städten die Kunst und Kultur prägt, die Renaissance und der sie begründende Humanismus. In dem vorliegenden Buch möchte ich Ursachen und Gründe der Reformation aus einer Philosophiehistorischen Perspektive nachzeichnen. Danach entwickelt sich schon das griechische Schisma aus den innenpolitischen Ursachen der Spaltung des Römischen Reiches und den Folgen der Völkerwanderung. Denn durch sie kommt es zum Schulterschluss zwischen Kaiser und Papst, was Letzteren in seiner Position über Jahrhunderte bestärken und auszeichnen wird. Innerhalb der Ära Karls des Großen verfestigt sich dieses Bündnis und bleibt bestehen bis zum Zusammenfall des Frankenreiches. Dieser erste Zusammenbruch Europas ist die Staatenpolitische Grundlage der Reformation. Auch in einem völkischen Bewusstsein distanzieren sich die nordischen und östlichen Länder vom Westen und Süden Europas. Aufgrund der nationalen Unabhängigkeitstendenzen in Böhmen kommt es zu ersten Widerständen gegenüber der Vormundschaft des deutschen Reiches und Roms gegenüber seinen 'Satelliten'. Johann Hus und Hieronymus werden in diesem Intrigenspiel, um Macht und Einfluss, die ersten 'Reformationsopfer'. Während sie im eigentlichen Sinne aus politischen Gründen hingerichtet werden, sind sie selbst von einer neuen Denkart im Glauben fasziniert, der aus England stammt. Die Rede ist von John Wyclif und William Ockham. Denn zuvor findet auf der Insel eine ähnliche Protestbewegung zwischen Herrschenden und Beherrschten statt, der fast zum Bürgerkrieg geführt hätte, und ähnliche Ursachen aufweisen, wie die des späteren Ausbruches der Reformation auf dem Kontinent. Die ersten 'reformatorischen' und sozialen Unruhen ersticken auf dem Scheiterhaufen. Es folgen die Jahre eines Umdenkens, d.h. der Flucht in Kunst und Kultur ohne soziale Reformen. Die Renaissancepäpste dominieren die politische Großwetterkarte bis eben zu dem Ereignis in Wittenberg. Parallel zur theologischen Auseinandersetzung kommt es in jenen Tagen zu sozialen Unruhen, die mit dem Begriff 'Bauernkrieg' umschrieben sind. Die Ursachen für seine Entstehung liegen im gleichen Umfeld einer Fehlentwicklung der mittelalterlichen Gesellschaft und ihres Weltbildes. Die Konsequenzen aus den erkannten Missständen innerhalb der Theologenschaft, und ihren intellektuellen Auseinandersetzungen mit dem Status quo, unterscheiden sich. So sind Ulrich Zwingli und Thomas Münzer regelrechte 'Aktivisten' der Reformation. Deshalb sei hier vor ab angemerkt, dass ich die Person 'Luthers' und sein Wirken, das von vielen Kirchenhistoriken eng in Verbindung mit seiner Biographie gesehen wird, in einem anderen Zusammenhang betrachten werde. Meine Interpretation geht dahin, Luthers 'Denken' aufgrund der philosophischen Vorlage Ockhams einzuordnen. Ockhams Heimat England ist das erste Land mit sozialen Unruhen gewesen, die sich aufgrund eines neuen Bewusstsein innerhalb eines kritischen Theologieverständnisses entfacht haben. In dieser Hinsicht ist zu fragen, welche Lehren hat Luther aus diesem Konflikt gezogen? Die Antwort ist die einer existentiellen Frage nach Reformation oder Revolution im christlichen Bewusstsein.

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Artikelnummer 9783832294748
Produkttyp Buch
Preis 45,90 CHF
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Einband Kartonierter Einband (Kt)
Meldetext Libri-Titel folgt in ca. 2 Arbeitstagen
Autor Sicheneder, Markus
Verlag Shaker Verlag
Weight 0,0
Erscheinungsjahr 2010
Seitenangabe 215
Sprache ger
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