Wo die Fremde beginnt

Der eine Teil ihrer Familie lebte in einem Hamburger Kapitänshaushalt, der andere auf einer Kakaoplantage in Äquatorialguinea. Fremdheit ist ein Phänomen, das die Journalistin Elisabeth Wellershaus als Schwarze Deutsche seit Kindertagen aus den Zuschreibungen Anderer kennt. In ihrem Buch zeichnet sie nach, wie vielschichtig, komplex und allgegenwärtig Ausschlussmechanismen in unserer Gesellschaft auch heute noch sind - aber verdeutlicht zugleich, was uns verbindet. Wellershaus ist im bürgerlichen Hamburger Stadtteil Volksdorf mit ihren weißen Großeltern und ihrer weißen Mutter aufgewachsen, während ihr aus Äquatorialguinea stammender Vater in Spanien ein in finanzieller Hinsicht prekäres Leben als Barkeeper führte. Als Schwarze Deutsche war sie in ihrer Kindheit und Jugend mit Alltagsrassismus konfrontiert. Auch deshalb ging Wellershaus als Studentin nach London und studierte die Klassiker des Antirassismus. Sie wollte auf Teufel komm raus anders sein als die weiße Mehrheitsgesellschaft in ihrer Heimat. Doch mittlerweile gehört sie als Journalistin mit wohlhabendem weißem Ehemann und Vorzeigefamilie im gentrifizierten Berliner Stadtteil Pankow selbst einer privilegierten Schicht an, auf die sich kein einfaches Unterdrückungsnarrativ mehr anwenden lässt. In ihrem autobiografischen Essay erforscht Wellershaus, wo das Fremde sich nicht gleich auf den ersten Blick erschließt: in Freundschaften, Nachbarschaften, Arbeitskontexten, der Familie - in unmittelbarer Nähe. Sie erzählt von unentschlossenen Biografien, komplexen Identitäten und verknüpft die Fremdheitserfahrungen anderer mit eigenen. Dadurch gelingt es ihr auf unnachahmliche Weise, den schrillen Ton der identitätspolitischen Debatten der Gegenwart zu unterlaufen.

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