Besuch in der Hölle

Mehr als die Bibel hat Dantes Göttliche Komödie unsere Vorstellung von Hölle und Paradies geprägt. Wie kommt es, dass dieses 700 Jahre alte Buch so vielen Menschen ein Begriff ist, obwohl es nur die wenigsten gelesen haben? Wie konnte ein Werk italienischer Sprache aus dem 14. Jahrhundert, das schon die Zeitgenossen nur mit der Hilfe von Kommentaren entschlüsselten, ein globales Kulturgut werden? Und wie gelangt Dantes Herrscher der Hölle, Luzifer, in japanische Manga? Die Romanistin Franziska Meier folgt der verschlungenen Rezeptionsgeschichte dieses Jahrtausendbuchs, an dessen Ruhm nur die Odyssee Homers und die Dramen Shakespeares heranreichen. Der Erfolg der Göttlichen Komödie war und ist im höchsten Maße unwahrscheinlich. Dantes Dichtung ist im Grunde unübersetzbar. Dennoch liegt die Divina Commedia inzwischen selbst in den entlegensten Sprachen vor. Szenen und Bilder des noch ganz dem mittelalterlichen Weltbild entstammenden Werkes, namentlich der Besuch in der Hölle, wurden immer wieder umgedeutet und so kreativ weitergesponnen, dass vom Original manchmal wenig übrigblieb. Europa lieferte dieses Jahrtausendbuch eine Blaupause, sich zu denken. Und Dichtern aus früheren Kolonien diente die im Exil verfasste Commedia als Modell, um über das ihnen zugefügte Leid zu schreiben.

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